Tag 12 – Prozessbericht vom 09.09.2021

Der zwölfte Verhandlungstag begann um 09:00 Uhr im Saal B218 des Landgerichts Berlin.

Erster Zeuge des Tages, ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Er soll im Februar 2010 an einer Observation teilgenommen haben. Er habe sich durch das Lesen des Behördenzeugnisses sowie des Observationsberichtes vorbereitet. Aber er könne sich an nichts mehr erinnern, weder an den Einsatz, oder den Auftrag noch an Cem, auch RAZ sage ihm nichts. In der weiteren Befragung teilt er mit, dass er an der Besprechung vom 12. Juli 2021 teilgenommen habe, die zur allgemeinen Vorbereitung einer Aussage vor Gericht diene. Sein Dienstort sei Berlin, er habe dort schon an vielen Observationen teilgenommen, ob er dafür speziell ausgebildet sei dürfe er nicht beantworten. Das Vorbereitungstreffen sei ebenfalls in Berlin gewesen, alle daran Teilnehmenden seien KollegInnen aus Berlin gewesen. Er habe sich mit niemanden über die Sache unterhalten, da er auch zwischen dem Treffen und dem heutigen Tage im Sommerurlaub gewesen sei. Der Zeuge wird entlassen.

Das Gericht informiert über weitere mögliche ZeugInnen des BfV in diesem Verfahren. Eine für den Nachmittag geladenen Zeugin hat bereits das 2. Mal wegen gesundheitlichen Gründen abgesagt. Telefonisch wurde bei ihr nachgefragt ob sie sich erinnere – das würde sie wohl nicht tun. Es solle noch ein Schriftsatz von ihr dazu kommen. Alle Prozessbeteiligten sind damit einverstanden, dass auf ihre Ladung verzichtet wird. Neuerdings hat sich herausgestellt, dass es wohl einen möglichen Zeugen beim BfV geben soll, der vor Gericht etwas zu sagen hätte, dieser müsse jedoch noch ausfindig gemacht werden.

Eine weitere Mitteilung des Gerichts ist, dass von der Verlesung der Urkunden vom 19.08.2021 abgesehen wird, da alle Beteiligten davon Kenntnis haben.

Der Vorsitzende Richter zählt auf, was demnächst beabsichtigt ist in Augenschein zu nehmen. Darunter sind Schriftstücke zu folgenden Fällen: Patronenverschickung an den Bundesinnenminister, Brand am Jobcenter Wedding, Brand am Bundeshaus und die Dokumentation der RAZ Kommuniqués vom November 2011. Für die nächsten Termine sind Beamte des BKA geladen und eine Mitarbeiterin des BfV.

Es folgt eine Pause biss 11 Uhr.

Der zweite Zeuge des Tages, Herr Nittner ehemals vom BKA ist anwesend. Er ist Polizeibeamter, 62 Jahre als und seit einem Jahr außer Dienst. Er wird zu der Durchsuchung am 22.05.2013 befragt, wo er vor Ort war, laut eigener Aussage aber ansonsten nur am Rande mit dem Fall zu tun gehabt habe.

Das Gericht fragt wie sie auf die Adresse gekommen wären und wie die Wohnung aussah. Er antwortet, dass aufgrund polizeilicher Maßnahmen festgestellt wurde, dass er dort wohne.

Zum Ablauf und ob er mit Cem gesprochen hätte berichtet der Zeuge, dass er ihn belehrt habe. Weil Waffen und Sprengstoff in der Wohnung vermutet wurden, sei die Wohnung vom SEK um 6 Uhr morgens geöffnet worden, anschließend habe ihn der Einsatzleiter hoch gerufen wo er Cem gefesselt auf einem Stuhl vorfand. Nach der Frage ob sich Cem friedlich verhalten würde, seien ihm die Fesseln gelöst worden. Danach habe er ihn belehrt nach Paragraf 129 Beschuldigter zu sein. Er berichtet, dass unser Genosse einen Rechtsanwalt anrufen wolle, dazu habe er eine Visitenkarte gereicht. Unter der Büronummer sei nicht abgenommen worden, anschließend sei eine Rechtsanwalts-Notrufnummer gewählt worden. Als Durchsuchungszeuge stellte sich ein Bewohner des Hauses zur Verfügung, der von 7 Uhr bis zum Ende, gegen 12 Uhr, der in der Wohnung anwesend gewesen sei. Weiter berichtet er, dass Cem keine Angaben zur Sache machen wollte und als der Rechtsanwalt kam die beiden sich besprochen hätten. Nach der Durchsuchung fand noch eine ED-Behandlung statt.

Das Gericht fragt wonach an diesem Tag gesucht wurde. Er antwortet, dass nach Sprengstoff und Waffen gesucht wurde, weshalb Sprengstoffhunde eingesetzt wurden. Zum Thema Keller berichtet der Zeuge, dass sie überprüft hätten ob auch der Keller von unserem Genossen genutzt würde, trotz seiner Verneinung und fehlender Schlüssel hätten die Beamten dann den Keller nach Absprache des Mietbewohners und Mieters der Wohnung, diesen aufgebrochen. Nach Angaben des Mitbewohners am Telefon (er war nicht vor Ort an diesem Tag) würde der Keller nur von ihm selbst und einer weiteren Person benützt. Was zu einem Zufallsfund von einer Menge Bargeld und mutmaßlichen Drogen führte, die betroffene Person ohne festen Wohnsitz, sei noch am selben Tag in der Nähe festgenommen worden. Eine Nutzung des Keller durch Cem konnte aber ausgeschlossen werden. Darüber hinaus wurden Papiere, Rechner und Speicherkarten gesucht, weiteres wüsste er nicht genau.

Es seien keine Hinweis darauf gefunden worden, dass noch jemand in dem Zimmer wohnen würde, außerdem sei er dort schlafend angetroffen worden, antwortet Nittner zu der Frage wie viele im Zimmer unseren Genossen wohnen würden. Er wisse aus eigener Erinnerung nichts mehr über gefundene Speichermedien oder DIN-A4 Papiere.

Nittner bestätigt dem Gericht seine Unterschrift auf dem Durchsuchungsprotokoll und bestätigt, dass Cem seine Unterschrift auf diesem verweigert habe.

Nun stellt das Gericht die Frage wie Asservaten-Nummern vergeben werden. Dazu berichtet er, dass bei mehreren Objekten die erste Zahl fortlaufend für das Objekt oder die Person gewählt werde und es anschließend weiter gehe mit der Etage und den Räumen. Er beklebe meist schon vorher die Räume mit Zetteln auf denen die Nummer drauf stehe.

Auf die Frage ob es viele Bücher oder Zettel geben hätte antwortet der Zeuge, dass er schon Wohnungen mit mehr Büchern gesehen habe. Zu der Frage nach einem Vermerk von ihm vom 5. und 6. März 2013, zu Erkenntnissen aus Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), bezüglich eines Emails-Accounts und wie sie darauf gekommen wären, dass dieser Cem zuzuordnen sei, kann er nichts mehr sagen und auch nicht an irgendwelche Zettel erinnern.

Die Verteidigung beginnt mit der Befragung und harkt nach woher er die Info habe, welche Räume von Cem genutzt worden seien. Die beantwortet er damit, dass es dies von Cem selbst hätte. Die Verteidigung will es genauer wissen, ob es vor oder nach der Belehrung gewesen sei und ob Cem zu diesem Zeitpunkt noch gefesselt war. Der Zeuge meint vermutlich vor dem Anwaltsanruf und nachdem er sich angezogen hätte. Die Verteidigung ist verwundert, dass dies nicht im Durchsuchungsprotokoll aufgelistet sei, da es ansonsten sehr akribisch wäre. Nittner meint er wisse nicht mehr warum er das nicht aufgelistet hätte, obwohl er bestätigt, dass dies eine relevante Angabe sei. Weiter fragt die Verteidigung warum zwischen den Versuchen einen Anwalt zu kontaktieren, nämlich zuerst unter der Büronummer um 07:10Uhr und danach unter der Mobilnummer um 07:23 Uhr, soviel zeit verstrichen wäre. Auch dies kann Nittner nicht erklären.

Es wird weiter gefragt nach einem Vermerk zu „konspirativem Verhalten“ in einer TKÜ-Auswertung. Daran könne er sich nicht erinnern. Zu einem Zeitungsprojekt, einem Blättchen oder der „Strike“, hat der Zeuge keiner Erinnerungen mehr. Auch zu RAZ, RL und radikal wisse er nichts. Der Zeuge wird entlassen.

Der Richter merkt eine Stelle in den Akten an, welche wohl belegen soll, dass eigen Angaben zu den Räumlichkeiten gemacht wurden. Was sich auf die vorherige Befragung des Zeugen Nittner durch die Verteidigung bezieht.

Es werden weitere Termin für die Verhandlung anberaumt und damit endet der Verhandlungstag.

Donnerstag 28.10.2021,
Dienstag 16.11.2021,
Mittwoch 01.12.2021,
Montag 13.12.2021,
Mittwoch 12.01.2022

Nächster Prozesstermin ist Dienstag 14. September 2021 um 09:00 Uhr, Saal B218 Eingang über Portal B129 in der Wilsnacker Str. 4, 10559 Berlin-Moabit.