Tag 11 – Prozessbericht vom 19.08.2021

Der elfte Verhandlungstag begann um 11:00 Uhr im Saal B218 des Landgerichts Berlin.

Erschienen ist als Zeuge KOK Hoffmann, 32 Jahre alt, Dienstort Meckenheim, Bundeskriminalamt (BKA).

Er war am 22.05.2013 bei der Durchsuchung einer Wohnung dabei, in der unser Genosse damals angetroffen wurde. Er sagt aus, dass er sich auf die Verhandlung vorbereitet hätte, aber auch vorher eigene Erinnerungen an den Fall gehabt habe.

Er berichtet vom 22.05.2013. Der Ort der Durchsuchung, wäre nicht die damalige Meldeadresse von Cem gewesen, sondern es hätte sich aus Oberservationserkenntnissen ergeben, dass er dort wohnen würde. Vor Ort seien außerdem zwei Kollegen vom ihm, ein Diensthundeführer (mit Hund), das Berliner SEK, Uniformierte Beamte zur äußeren Absperrung und welche vom Berliner LKA gewesen.

Anschließend gibt er eine Beschreibung der Wohnung ab, mit Art und Lage der Zimmer und wo sich die Wohnung im Haus befunden habe. Das Zimmer des Hauptmieters, welcher an diesem Tag nicht anwesend war, sei nach seiner Aussage nicht durchsucht worden. Weiter beschreibt er das Zimmer, welches unserem Genossen zugeordnet und hauptsächlich durchsucht wurde, mit den Einrichtungsgegenständen und wo diese im Zimmer positioniert gewesen wären. Er habe an diesem Tag das Zimmer mit durchsucht. Als Hinweis darauf, dass das Zimmer tatsächlich von unserem Genossen bewohnt würde, erinnerte er sich an Behördenschreiben und einen Untermietvertrag, den er auf den Schreibtischen gefunden habe.

Das Gericht fragt ob die Zimmertüre verschlossen war. Der Zeuge antwortet, dass er es nicht wisse, da er nicht als erster die Wohnung betrat, sondern erst später, er sich aber noch erinnere, dass die Wohnungstür aufgebrochen wurde. Auf die Frage, was er aufgefunden habe, listet er auf: mehrere Datenträger, USB-Sticks, zwei Laptops, Scanner, einen Tower PC, Bücher, Aufzeichnungen, ein Notizbuch und handschriftliche Zettel. Die Bücher seien angeschaut, durchgeblättert und ggf. mitgenommen worden um Aufzeichnungen zu finden, welche in Verbindung mit der Erstellung von Texten für die radikal stehen könnten.

Er habe die gefunden Zettel an diesem Tag nur grob gesichtet und später bei der Auswertung genauer gelesen. Ihm seien immer wieder Kürzel in den Schriften aufgefallen, welche er einzelnen Städten zuordnete. In einem Zettel sei es um die Erstellung von einer Zeitschrift gegangen, einer 6. Postille, mit einer arbeitsteiligen Beschreibung und einer Auflistung wer was machen solle, daneben die besagten Kürzel.

Er habe an dem Tag keinen Kontakt mit unserem Genossen gehabt, außer bei der anschließenden Maßnahme (ED-Behandlung) und er habe auch nicht mit ihm gesprochen. Er erinnere sich nur, dass unser Genosse verweigerte das Durchsuchungsprotokoll zu unterschreiben.

Das Gericht zeigt einige Asservatenablichtungen, die der Wohnung zugeordnet werden, der Zeuge bestätigt, das es die Zettel seien, welche er im Zimmer gefunden habe.

Beim Thema Speichermedien erzählt er, dass die Technik-Abteilung des BKA auf einem Beschlagnahmten USB-Stick eine gelöschte Ausgabe der radikal gefunden habe. Er habe die Auswertung vorgenommen. Diese habe ergeben, dass es sich um die gleiche Ausgabe handeln würde, welche im Internet zu finden und herunterzuladen sei. Dies habe er über einen Hashwert ermittelt, eine Art digitaler Fingerabdruck, jede Datei könne darüber identifiziert werden. Zum Abgleich ob es denn auch die radikal 161 wäre, habe er die Zeitschrift in Papierform mit der digitalen, Seite für Seite und Absatz für Absatz, durchgeschaut.

Ergänzend berichtet er, nach einem Hinweis des Gerichts, dass es einen Zeitstempel in den Metadaten der digitalen Ausgabe vom USB-Stick gäbe, dass die Zeitstempel aus diversen Gründen immer eine Problematik mit sich bringen würden. So könne nur mit Sicherheit gesagt werden, dass die Datei am 20.05.2013 angefasst wurde, aber die korrekte Erstellungs- und Änderungszeit seien nicht mit Sicherheit festzustellen.

Ein Schöffe fragt zum Verständnis nach, ob denn die Datei auch den gleichen Hashwert habe, wenn er diese bei sich herunter laden würde, dies bejaht Hoffmann.

Zu den handschriftlichen Zetteln meint er, dass sie damals davon ausgegangen seien, dass es sich um die 6. radikal, die Nummer 166, handeln müsse. Da die Artikel thematisch zu Bereichen aus anderen radikal Zeitschriften passen würden, zum Beispiel wurde in der radikal 165 ein Artikel zur Bewegung 2. Juni angekündigt und auf den gefundenen Zetteln sei die Abkürzung „B2J“ zu lesen.

Auf die Frage ob er sich mit der radikal beschäftigt habe antwortet der Zeuge, dass er die Nummern 161 – 165 gelesen habe, historisch habe er sich nicht damit beschäftigt und er wisse auch nicht wann diese erstmals erschien. Auch wann die Ausgabe 161 erstmals für Außenstehende greifbar war wisse er nicht.

Es beginnt die Befragung der Verteidigung. Diese wollen wissen, ob die zwei Schreibtische im Zimmer auch von zwei Personen genutzt worden seien könnten. Hoffmann verneint, da er nach seiner Erinnerungen auf beiden Tischen Unterlagen gefunden hätte, die er unserem Genossen zuordnen würde, u.a. durch Handschriftenvergleich. Er habe damals selbst die Sachen gefunden und sein Kollege Nittner hätte diese anschließend sichergestellt, außer ihm haben noch Kollegen vom LKA durchsucht. Ein Durchsuchungszeuge sei noch anwesend gewesen.

Weiter geht es um die Datei auf dem USB-Stick. Hoffmann meint, ob die Datei auf die Webseite hochgeladen wurde oder von dieser herunter, ließe sich nicht sagen, beides sei möglich. Auf Nachfrage gibt er an, dass er glaube, dass die Datei eine Kopie, also ein eingescanntes Dokument, wäre. Die Verteidigung hält ihm diesbezüglich seine damalige Auswertung aus den Akten vor, welche ebenfalls besagt, dass es nicht ein mit einem Design-Programm erstelltes Dokument sondern ein Scan wäre.

Da es keine weiteren Fragen gibt wird der Zeuge entlassen.

Nach einer 10-minütigen Pause geht es mit einer Beamter-Präsentation weiter. Über das Internet wird google Steetview aufgerufen und die Perspektive einer Observationskamera nachvollzogen. Diese hatte an eine Straßenecke in Richtung eines Hauseinganges gefilmt. In einer vorherigen Sitzung wurden Videoaufzeichnungen dieser Kamera abgespielt.

Die vom Zeugen Hoffmann benannten Zettel werden in Augenschein genommen. Im Anschluss wird die äußere Erscheinung einer radikal Zeitschirft in Augenschein genommen.

Das Gericht teilt mit, ein ursprünglich beabsichtigtes Video nicht in Augenschein nehmen zu wollen, da auf diesem ein Gasaki-Sprengsatz mit zehn Gaskartuschen zu sehen sei, jedoch in den hier betroffenen Fällen weniger Gaskartuschen verwendet wurden.

Der Richter verliest ein Auszug des LABO zu den Wohnverhältnissen unseres Genossen.

Bezüglich des Selbstleseverfahrens teilt der Richter mit, dass das Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz von der Leseliste gestrichen wurde. Die Verteidigung hatte gegenüber dem Richter Bedenken hinsichtlich dessen geäußert. Auch sei die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen, wie der Richter meint. Ein Sachverständigengutachten mit einem Schriftvergleich wurde ebenfalls von der Liste gestrichen.

Es wird angeordnet die Schriftstücke im Selbstleseverfahren ins Verfahren einzuführen und bis zum nächsten Verhandlungstag, dem 9.9., zu lesen.

Als letztes werden die Ordner mit den Schriftstücken für das Selbstleseverfahren ausgeteilt und die Sitzung beendet.

Für die nächsten Verhandlungstage ist als Zeuge Herr Kellich vom BKA geladen, sowie ein weiterer Beamter, der bei einer Durchsuchung anwesend war.

Nächster Prozesstermin ist Dienstag 09. September 2021 um 09:00 Uhr, Saal B218 Eingang über Portal B129 in der Wilsnacker Str. 4, 10559 Berlin-Moabit.