Tag 1 – Prozessbericht vom 08.06.2021

Der Prozess gegen unseren Freund und Genossen Cem startete am Dienstag den 8. Juni 2021 gegen 13:15 Uhr mit der Vorstellung des Gerichts und der Abfrage der Personalien. Bevor es zu der Verlesung der Anklageschrift, durch den Staatsanwalt Philipp Zündorf, kommen sollte, beantragte die Verteidigung die Anordnung der Sicherheitsmaßnahme aufzuheben. Zu den Sicherheitsmaßnahmen gehörten Beschränkungen der Verteidigung, Cem und der Zuhörer:innen bezüglich mitgebrachter Gegenstände, sowie der Anzahl zugelassener Personen, für die Verhandlung. Zudem werden Kopien der Personalausweise der Besucher:innen angefertigt, um etwaige Störer:innen identifizieren zu können.

Die Verteidigung begründete die Aufhebung damit, dass die Anordnung unbegründet, unverhältnismäßig, rechtswidrig sei und ein misstrauen gegenüber Verteidigung und Angeklagtem andeute. Aus vergangen Verfahren sei bekannt, dass während der, für das Gericht nicht sichtbaren, Einlassprozedur doppelte Kopien angefertigt wurden, die an den Staatsschutz gingen. Ebenfalls sei nicht klar ob die Kopien im Anschluss vernichtet würden. Auch der Grundsatz der Öffentlichkeit ist mit den angeordneten Maßnahmen gefährdet.

Nach einer 30-minütigen Pause begründete das Gericht die Anordnung und wies den Antrag ab. In der Begründung hieß es, es ließe sich die Gefährlichkeit und somit Notwendigkeit der Sicherheitsverfügung aus der Anklageschrift ableiten, da es sich um einen „Linksextremisten“ handele. Im Anschluss an die Begründung beantragte die Verteidigung eine Beratungspause.

Nach über einer Stunde wurde die Verhandlung mit einem Befangenheitsantrag der Verteidigung gegenüber dem Gericht fortgesetzt. Die Befangenheit ergibt sich u.a. daraus, dass es keine Vorbelastung von Cem gäbe und nur anhand der Anklageschrift argumentiert würde ohne konkrete Belege einer Gefährdungslage des Gericht, welche dies rechtfertigen würde – was im Schluss ein Voreingenommenheit widerspiegelt.

Aufgrund der aktuellen Gesetzeslage kann die Verhandlung fortgesetzt werden, bis über den Antrag entschieden ist.

Die Verteidigung merkt an, dass der Zugang zur Toilette für Besucher:innen gesperrt ist. Der Grund sind Bauarbeiten, die Justizbeamten wissen auch nichts genaues darüber. Das Gericht findet es ausreichend, wenn die Toilette im Hauptgebäude benutzt wird. Dies ist zum Nachteil der Besucher:innen, da diese eine doppelte Kontrolle über sich ergehen lassen müssen.

Die Verteidigung beantragt die Einstellung des Verfahrens, da es als unfair zu bewerten ist. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass in einem früheren Verfahren gegen die militante gruppe, die ermittelnden Beamten des Bundeskriminalamtes, während der Ermittlungen „Undercover Aktionen“ durchgeführt hatten, indem diese sich mit einem schriftlichen Beitrag an der Militanzdebatte in einer linken Zeitschrift beteiligt hatten. Dies wurde versucht zu Verschleiern indem es zwei Ermittlungsakten gab, eine offizielle und eine interne. Über diese Ermittlungsmethoden hatten beteiligte Beamten während des Gerichtsverfahrens nachweislich gelogen. Da in diesem Fall, welcher jetzt verhandelt wird, die selben Beamten ermittelt haben, ist wieder von ähnlichen Geschehnissen auszugehen.

Der Staatsanwalt möchte dazu, zu diesem Zeitpunkt, keine Stellung nehmen. Gericht stellt die Entscheidung zurück und wird darüber am nächsten Hauptverhandlungstag entscheiden.

Die Verteidiger stellen einen weiteren Antrag, in welchem sie fordern die Hauptverhandlung auszusetzen, die Akten zu vervollständigen und mit der Verhandlung erst nach einer angemessenen Sichtungsfrist fortzufahren. Hintergrund ist eine Diskrepanz von 10 Bänden (Aktenordnern), welche die Staatsanwaltschaft 2018 aufgelistet hatte und dem was der Verteidigung ausgehändigt wurde.

Es folgt eine erneute kurze Pause und danach wird der Antrag vom Gericht vorerst zurückgestellt. Das Gericht will die Akten zählen und prüfen ob und was fehlt.

Die Verteidiger stellen ein Antrag, dass die Schadenszahlen in der Anklageschrift nicht verlesen werden sollen, da die Zahlen nicht korrekt sind. Es wurde der Brutto- und Nettowert, der Zeit- und Neuwert sowie eine Schadenssummer, die aus einem Telefonat stammt bei, dem nicht klar ist um was für einen Wert es sich handelt.

Nach einer Pause wird der Antrag der Verteidigung abgelehnt mit der Begründung, dass es die Funktion der Anklageschrift nicht beeinträchtigen würde. Die Verteidigung hält dagegen, dass es nicht gut sei, da es zeigt dass die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit nicht ordentlich machen müsse in Puncto Anklageschrift.

Anklageschrift wird vollständig vom Staatsanwalt vorgelesen und der erste Verhandlungstag endete damit gegen kurz vor 17 Uhr.

Nächster Prozesstermin ist Donnerstag, der 17. Juni um 9:00 Uhr in Saal B218 Eingang über Portal B129 in der Wilsnacker Str. 4, 10559 Berlin-Moabit

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